Inside DFI // Once Asked Questions // Interview mit Tom Wibberenz // Dozent Typo & Buch
Wer ist Tom Wibberenz?
Tom Wibberenz ist ein leidenschaftlicher Buchgestalter, der eigentlich, und wir reden jetzt nur von seiner Profession, immer aus der Idee der Schrift heraus gestaltet.
Er ist eher bei der Schrift als beim Bild, ansonsten ein klassischer Gestalter, dem Inhalte sehr wichtig sind.
Der versucht, unter die Oberfläche zu kommen um zu erforschen, worum es eigentlich geht.
Aus dieser Perspektive gestaltet er Bücher, Marken – oder wie in den letzten 10 Jahren, sehr viele Ausstellungen.
Vor einem Jahr hat er sich noch mal neu erfunden und seine Firma auf genau die drei Schwerpunkte ausgerichtet und die Marke wibberenz’ design in Stein gemeißelt.
Als Selbstständiger, der natürlich in den letzten 20 Jahren, auch mal andere Sachen gemacht hat, wie z.B. für Tchibo, Otto und andere zu arbeiten, arbeitet er jetzt hauptsächlich für Architekten und Firmen wie Studio Hamburg. Dafür entwickelt er ungewöhnliche, neue Ideen.
Du hast vorhin gesagt, du seiest kein „bildgewaltiger Typ“.
Was heißt das genau?
Meine Ideen entwickeln sich hauptsächlich aus der Materialität und Typografie heraus. Ich arbeite gerne mit Fotografen zusammen aber würde selber die Typo-
wüste dem Bilderstum vorziehen. Heutzutage heißt Bild auch gleich Photoshop und das ist schon gar nicht mehr meins. Während ich aus einer inhaltlichen Betrachtung einer Marke, einem Namen, einer Profession über Schrift, über die Ausdrucksmöglichkeiten, die Schrift hat, viel schneller zu einem Ergebnis komme. Das liegt mir näher.
Beschreibe die Person Tom Wibberenz mit drei Attributen.
Klassisch, typografisch, musikalisch.
Musikalisch – Ist das eine Inspirationsquelle für dich?
Ja. Zum Einen höre ich unglaublich viel Musik und zum Anderen mache ich auch selber Musik. Und das fließt immer in meine Arbeit ein. Zu Zeiten des Studiums habe ich viele Projekte auf der Basis von Bands, Musik oder eben meinem Instrument, dem Schlagzeug gemacht.
Wenn man sich heute anguckt, was man früher gemacht hat, war alles doch sehr monothematisch. Was einem natürlich hilft, und das findet man bei vielen Gestaltern, ist Rhythmik, Dynamik, Kontraste, Komposition. Und das findet man in Bereichen, die wir im Kurs erarbeiten auch wieder. Drei Typozeilen auf einem Titel, das ist eben auch Rhythmik, das ist immer auch irgendwie Musik.
Was beschäftigt dich mehr, als es sollte?
Ich bin sehr dankbar für die Möglichkeit, an der DFI mit jungen Leuten zusammenzuarbeiten, denn es beschäftigt mich, wie sich das Ganze entwickelt. Und zwar meine ich nicht nur, wohin sich unser Beruf entwickelt, sondern vor allem wohin sich unsere Generationen entwickeln.
Ich bin wirklich fasziniert, welche Möglichkeiten diese Generation hat und nutzt und was so Alles entsteht.
Bildung ist eins meiner Lieblingsthemen. Ich finde, dass viel zu wissen nicht auch bedeutet, gebildet zu sein. Sondern Wissen auf eine kultivierte Art zu verknüpfen bedeutet gebildet zu sein.
Warum überhaupt Typografie?
Wenn ich nicht in Kiel bei Klaus Detjen studiert hätte, hätte mich die Typografie vielleicht nicht so gefangen genommen.
Unabhängig davon, dass er ein großer deutscher Typograf ist und ein für einen Studenten der 90er Jahre nicht leicht zu nehmender Professor war, hat er Leute inspiriert oder auch an die Schule geholt, deren Interesse hauptsächlich Typografie war und davon habe ich mich anstecken lassen.
Ich bin mit einer Mappe, in der über die Hälfte malerische Arbeiten waren, an die Schule gegangen. Früher habe ich viel mit Gouache, Öl und anderen Materialien gearbeitet und bin dann eigentlich über Klaus Detjen und Freunde zur Typografie gekommen.
Und ganz ehrlich? Es war eben auch cool. Man merkte, dass es Sinn macht, sich mit Typografie auseinanderzusetzen. Das versuche ich auch meinen Studenten zu vermitteln, wenn du Typografie beherrschst, wirst du nicht verhungern. Wenn du dich irgendwo vorstellst und dein potenzieller Arbeitgeber sieht, dass du Typografie beherrschst, dann weiß er auch, dass du einigermaßen gestalterisch einzusetzen bist.
Kontraste, Dynamik, visuelle Hierarchie – alles klassische Disziplinen eines Schriftgestalters.
Erzähl uns von deinen Auslandserfahrungen.
Ich bin während des Studiums in Italien gewesen und habe bei Michele De Lucchi gearbeitet, der eigentlich Architekt ist, aber dennoch viel mit Industriedesignern zusammengearbeitet hat. Ich war dort der einzige Grafikdesigner. Der Italiener denkt und das kann man wirklich pauschal so sagen, als Gestalter interdisziplinär. Die großen, bekannten Industriedesigner (Cozza, Citterio oder eben De Lucchi) haben alle Architektur studiert und sich im Rahmen dieses Studiums auf Industriedesign spezialisiert. Sie haben nie bestimmte Bereiche aus Kunst und Kultur außer Acht gelassen. Und deswegen gehört es dazu, auch mal über den eigenen Tellerrand zu gucken.
Wer oder was hat dich in deiner kreativen Herangehensweise beeinflusst?
Die Frage stelle ich mir oft. Letztenendlich mache ich das Ganze seit mittlerweile 23 Jahren. In dieser Zeit habe ich meine eigene Herangehensweise entwickelt.
Manchmal stelle ich mir dennoch die Frage „Macht das Sinn?“ oder „Ist das der richtige Weg?“ Warum auch nicht. Von den Italienern habe ich gelernt, dass es immer verschiedene Wege oder Richtungen gibt, sich einer Frage oder einem Problem anzunähern.
Das interdisziplinäre Arbeiten, die verschiedenen Herangehensweisen, der interne Perspektivwechsel aus jener Zeit haben mich nachhaltig beeinflusst.
Du hast an der DFI ja meistens ein Semester Zeit, die Studierenden zu unterrichten. Da muss was hängenbleiben. Was vermittelst du?
Das wäre eher eine Frage an die ehemaligen Kursteilnehmer. Mein größtes Anliegen bezieht sich darauf, zu vermitteln, dass der Gestalter jemand ist, der aus der Warte einer gebildeten Person heraus kreiert. Das heißt es ist unabdingbar, sich mit Kunst, Kultur, Geschichte, Design-Geschichte auseinanderzusetzen. Neben dem, was du ohnehin an Handwerk zu lernen hast, das ist klar.
Ich hatte damals einen amerikanischen Kunstlehrer, der gesagt hat, „Leute, ihr müsst sehen lernen.“ Und ich finde: „Leute, ihr müsst Denken lernen.“ Klingt natürlich unglaublich arrogant aber damit meine ich diesen Unterschied zwischen viel wissen und gebildet sein. Aus sich heraustreten, sich selbst hinterfragen.
Danke Tom für das tolle Interview!
Und wo das her kommt gibts noch viel mehr:
https://www.design-factory.de/news
// Interview & Photos by Tim Schulz